Wood Fiction

In der Wedemark stellt Roman Klonek neue Arbeiten im Kunstverein Wedemark imago aus. Ausdrucksstark in Holz geschnitten. Die Ausstellung endet am 11. März 2018.

 

 

Die Werkeinführung von Wilfried Köpke:

 

Vor ein paar Jahren ist Roman Klonek nach Japan gereist und bleibt zwei Wochen in Tokyo. Er spricht und liest kein Japanisch. Er lässt sich durch die Stadt treiben und verläuft sich, er lässt zu, dass er sich verläuft und fühlt sich gut dabei, empfindet „Freude am Nichtbegreifen“, an diesem Analphabetismus bezogen auf für ihn nicht entzifferbaren Schriften der Straßenschilder, Fremdheit, die sich, weil er das Zeichen-system nicht versteht, nicht auflösen lässt, „Verlorensein ohne Gefahr“ zu empfinden.

Dieses Erstaunen über die Welt, die ihm begegnet, findet sich in seinen Arbeiten wieder und als Betrachter geht es mir mit seinen Bildern genauso. Ich denke ich erkenne die Bildinhalte und dann kann ich die Schriften nicht lesen oder der Hund hat ein Maul, dass ich nicht wider-erkenne oder im Bild tauchen Elemente auf, die nicht dazuzugehören scheinen, wie der weiße Totenkopf, die weiße Ratte und der weiße Wolf im paradiesbunten Triptychon. Vanitas- und Memento-Mori-Zitate aus der Kunstgeschichte. Es ist der Irrtum des ersten Blicks. Was so eingängig, bekannt, dechiffrierbar daherkommt, lässt einen hängen im Übersetzungsversuch. Lost in Translation.

Roman Kloneks Arbeiten sieht man das Studium der Visuellen Kommunikation mit Schwerpunkt Druckgrafik in Düsseldorf ebenso an, wie seine Liebe zum Comic und Manga und osteuropäischen Zeichentrickfilmen, die ihm sein Vater, zeitweise noch in seinem Geburtsland Polen, auf Super-8-Filmen gezeigt hat. Die Arbeiten sind plakativ, sie folgen den Regeln des Bildaufbaus und der Schrifteinbindung, sie nutzen eine im Detail eindeutige Formensprache.

 

Plakativ

 

Die Figuren auf den Bildern sind sehr reduziert und nicht fotorealistisch gestaltet. Diese Reduktion, die auch an Cartoons erinnert, lässt der Betrachterin und dem Betrachter viel Raum, die Figuren zu besetzten und z.B. die Gesichter selbst detailliert auszustatten, zu belegen. Klonek bietet eine universelle Bildersprache. Jeder und jede kann diese Gestalten besetzen, kann entdecken und kann mit eigener Geschichte belegen, seine Geschichte über dieses Bild legen, ausgelöst durch die Motive, die Roman Klonek vorgibt.

Zugleich aber hält Klonek durch seine entschiedene Bildgestaltung manches in der Hand. Die Bilder wirken wie Screen-Shots, eine Momentaufnahme aus einem Film, kurz die Pausentaste gedrückt und dann wird es gleich weitergehen, die Bilder haben ein (nicht zu sehendes) Davor und ein (noch kommendes) Danach.

Aber die Besetzung dazwischen liegt im Kopf, der Fantasie des Betrachters, seiner Induktion. Roman Kolleks Arbeiten sind narrativ.

Das hat auch damit zu tun, wie die Arbeiten des Düsseldorfer Künstlers entstehen: Roman Klonek zeichnet, immer, bereits als Kind. Er zeichnet in ein Skizzenbuch, mal beobachtend, mal selbstvergessen, wie manche es früher beim Telefonieren machten oder in langweiligen Besprechungen. Die Zeit hat mal eine Reihe dieser Zeichnungen jede Woche auf der letzten Seite veröffentlicht. Häufig sind es nur Details: ein Mund, eine Nasenform, ein Trichter… In seinem Skizzenbuch entsteht so eine Welt der kleinen Dinge, der Beobachtungen, der Fragmente. 95 Prozent dieser Skizzen, sagt er selbst, „sind Schrott“. Die verbleibenden fünf Prozent dieser analogen Zeichnungen wandern dann in ein Illustrationsprogramm auf den Computer, werden digital abgelegt und dann wieder zusammengefügt zu einer Arbeit.

 

Narrativ

 

Manche Skizzen sind so stark, dass ihnen ein Soloauftritt zugestanden wird, schauen Sie sich die Portraits als Beispiele an, andere werden zu Ensembles montiert, aus Formen wer-den Ensembles und Geschichten, und da können dann ganz subjektive Tageserlebnisse ein Rolle spielen, z.B. der Zeitungs-artikel über eine chinesische Software, die es erlaubt Freunde auszuspionieren: da bekommt der Hund Senderohren, ein Geist scheint alles zu über-wachen, das japanische Wort für Radar erscheint als Schriftzug und die Arbeit heißt Freundlicher Radar.

Kräftig, frisch in der Farbe und an Plakate erinnernd, kommen die Arbeiten auch daher, weil sie im Fertigungsprozess dann mit einer Technik umgesetzt werden, als deren erste kunsthistorischer Nachweis „das heute in Brüssel aufbewahrte Blatt Maria mit Kind“ gilt, eine 1418, vor sechshundert Jahren, geschnittene Arbeit, dem Holzschnitt. Spiegelverkehrt wird das mithilfe des Illustrationsprogramms aus den Skizzen auf dem Rechner montierte Motiv auf die Holzplatte übertragen und dann von Hand in die Holzplatte geschnitten und anschließend mit kräftiger Offsetöldruckfarbe gedruckt. Jede Farbe einzeln, und das heißt gut überlegt, denn immer wieder wird ein Teil des Bildes aus dem Holzstock unwiederbringlich weggeschnitten, um die nächste Farbe zu drucken. Verlorener Holzschnitt oder verlorener Schnitt nennt sich die Technik. Sie ist eigentlich etwas widersinnig, weil die den Vorteil des Holzschnitts, die Druckmöglichkeit bis zu tausendmal und auch noch Jahre später, konterkariert. Es gibt nur eine Auflage und, weil die Farben oft eine Woche trocknen, auch nur eine begrenzte Auflagenhöhe um die Fertigung nicht zum Jahresprojekt werden zu lassen. Und so entsteht in vielen Einzel-schritten über mehrere Wochen eine Auflage von acht Exemplaren. Aus den digital verarbeiteten analogen Skizzen ist wieder ein ganz analoges Druckerzeugnis geworden.

Auch diese Technik erklärt den plakativen Charakter der Arbeiten umso mehr, als dann das Papier auf Holz geklebt und auf einen Rahmen gesetzt wird, so dass es im Abstand zur Wand steht, direkt, ohne Glas und Passepartout, wie ein Plakat.

Das Ergebnis zitiert zu-gleich Elemente der Pop-Art wie des Kubismus. Einige Formen werden erst durch ihre Position zur Funktion: der breite Haken zur Nase, das Dreieck zur Augenbraue. Der gleiche Mund ziert verschiedene Frauen-gesichter. Es ist dasselbe Element aus dem Formenarchiv des Skizzenbuchs.

 

Subjektiv

 

Was Roman Klonek dann am Ende druckt, das sind, ich habe es bereits angedeutet, Momentaufnahmen von Geschichten. Man fragt sich, was der Wolf mit dem Mädchen im nächsten Moment macht, was passiert wenn die an Jeff Koons erinnernde Katze aufsteht, wann die Monster springen, was die Maus vom Pin-up-Girl will und was das für Wesen sind, die Roman Kloneks Bilderwelt bevölkern. Nun es sind subjektive Fantasieprodukte aus Beobachtungen dieser Welt entstanden, zusammengefügt und dem Betrachter, der Betrachterin übergeben.

Und wenn sie auch sehr unterschiedlich sind, so zeigt sich doch das Skurrile und Ironische in ihnen: Es scheint weit weg von unserem Alltag und dann so nah daran: das Wissen um die Raupe im Biogemüse, das Aushorchen und –lesen unserer Daten, die Überwältigung durch Werbung, die langweilige Glätte der Bikini-Girls und das dumpfe Imponiergehabe der Männer mit ihren Keulen.

Vieles ist übertrieben, japanische und russische Schriften sind für die meisten unverständlich und können deshalb ebenso als Projektionsflächen dienen, wie die Figuren im Bild. Und diese werden in den vergangenen Jahren zunehmen surrealer, fantasievoller, projektionsoffener.

Lassen Sie sich einladen zu entdecken und die Geschichten vor Ihrem inneren Auge, in Ihrem Kopf, Ihrer Fantasie zu erleben. Es wird sich lohnen.